Das erste Mal vor Gericht?

Eine Beschreibung des Verfahrensablaufs und Anleitung für Ihren ersten Auftritt im zivilgerichtlichen Verfahren.

Wenn Sie mit dem Gericht bisher noch nicht in Kontakt waren, ist das an sich ein gutes Zeichen. Sind Sie nun aber vielleicht zum ersten Mal in irgendeiner Form – als Kläger, Beklagter oder Zeuge – an einem Zivilprozess beteiligt, besteht auch kein Grund zur Panik (schon gar nicht, wenn Sie uns mit Ihrer rechtlichen Vertretung beauftragt haben).

Für uns Anwälte stehen Gerichtstermine an der Tagesordnung. Fast täglich sind wir am Bezirksgericht Bruck oder Neusiedl und auch am Landesgericht Korneuburg zu finden. Wir wollen versuchen, einen kurzen Überblick über den gar nicht so komplizierten Ablauf eines erstgerichtlichen Verfahrens zu geben, damit Sie sich darauf einstellen können, was auf Sie zukommen wird:

In einem Zivilprozess gibt es einen Kläger (jemand, der einen Anspruch oder eine Forderung geltend macht) und einen Beklagten (das ist derjenige, gegen den sich diese Forderung richtet). Selbstverständlich kann es auch mehrere Kläger oder mehrere Beklagte geben. Der Überbegriff für Kläger und Beklagter ist „Partei“. Beide Parteien können Zeugen für ihr jeweiliges Vorbringen benennen, die dann geladen und befragt werden.

Vor dem ersten Verhandlungstermin erfolgte in der Regel bereits ein Schriftsatzaustausch, dh beide Parteien haben in schriftlicher Form schon ihren Standpunkt dargelegt (mit Klage, Einspruch und Vorbereitendem Schriftsatz). Der Richter bzw. die Richterin weiß also schon grundsätzlich Bescheid, worum es geht.

Der erste Verhandlungstermin im Zivilprozess nennt sich „Vorbereitende Tagsatzung“. Dieser Termin ist meist nur für eine halbe Stunde anberaumt und dient dazu, beide Parteien zusammenzubringen und über Vergleichsmöglichkeiten zu sprechen. Die meisten Richter wünschen, dass die Parteien auch persönlich bei diesem ersten Termin anwesend sind. Falls eine Einigung nicht möglich ist, wird in der Sache verhandelt, dh es werden Beweisanträge für den jeweiligen Standpunkt gestellt und das Prozessprogramm festgelegt. Dabei wird überlegt, in welcher Reihenfolge die beantragten Beweismittel eingeholt werden. Je nach Sachlage kann es beispielsweise zweckmäßig sein, zunächst ein Sachverständigengutachten einzuholen und erst anschließend die Parteien und Zeugen einzuvernehmen oder auch umgekehrt. Bei diesem Termin müssen Sie keine großen Reden schwingen. Es kann lediglich sein, dass kurz die jeweiligen Positionen besprochen und ausgelotet werden und Sie vom Richter diesbezüglich informell befragt werden. Wenn das Prozessprogramm festgelegt ist, wird ein neuer Verhandlungstermin anberaumt.

Irgendwann kommt dann Ihr großer Auftritt, der Tag Ihrer Einvernahme als Partei im Zivilprozess. Die Verhandlung beginnt mit dem Aufruf der Sache durch den Richter. Sie betreten – gemeinsam mit uns als Ihrem Rechtsvertreter – den Gerichtssaal und folgen unseren Anweisungen. Je nachdem, ob Sie Kläger oder Beklagter sind, sitzen Sie rechts oder links im Gerichtssaal. Der Richter protokolliert alles, was im Laufe der Verhandlung gesagt wird, am Ende der Verhandlung unterschreiben Sie ein Formular, auf dem Sie die Protokollierung bestätigen. Sollte der Richter etwas falsch verstanden haben oder aus anderen Gründen unrichtig protokollieren, werden wir ihn höflich darauf aufmerksam machen (und falls dies nicht zielführend ist, einen Widerspruch gegen das Protokoll erheben).

Ihre Einvernahme beginnt mit einer Belehrung darüber, dass Sie die Wahrheit sagen sollen (nur das sagen sollen, woran Sie eine persönliche Erinnerung haben, nichts dazu erfinden und nichts weglassen sollen) und eine Aussage unter Eid strafbar wäre (§ 376 ZPO). Die Vernehmung beginnt mit Fragen zur Person (Name, Geburtsdatum, Beruf, Wohnadresse). Danach erfolgt die Befragung zur Sache. Zunächst stellt der Richter sämtliche Fragen, die er für notwendig erachtet. Danach haben die Anwälte das Fragerecht. Wenn wir Ihnen Fragen über Dinge stellen, die Sie uns bereits im Zuge unserer Vorbesprechung erzählt haben, so tun wir das nicht, weil wir es vergessen hätten, sondern vielmehr, weil es notwendig ist, dass auch der Richter diese Information erhält und vor allem auch protokolliert. Es gilt der Grundsatz: Was nicht im Protokoll steht, ist nicht Gegenstand des Verfahrens. Daher müssen wir – auch wenn es für die Parteien oder Zeugen oft lästig erscheint – mitunter auch mehrmals nachfragen.

In diesem Zusammenhang ist noch darauf hinzuweisen, dass ein möglichst authentisches Erscheinen wichtig ist. Wenn Sie immer im Dialekt reden, dann tun Sie das bitte auch vor Gericht (man wird Sie verstehen), wenn Sie gewohnt sind, hochdeutsch zu sprechen, dann bleiben Sie dabei. Gezwungenes „Schönsprechen“ kann leicht auswendig gelernt klingen und könnte sich negativ auf die Beweiswürdigung auswirken (dh der Richter könnte Ihnen nicht glauben).  

Generell gilt für alle Parteien, dass ein ordentliches äußeres Erscheinungsbild, also anständige Kleidung (es muss nicht Anzug und Krawatte sein, jedenfalls nicht zu empfehlen sind Flipflops und bauchfreies T-Shirt) und ein freundliches, höfliches Auftreten von Vorteil sind. Günstig ist es - soweit das möglich ist - Emotionen nicht mit in den Gerichtssaal zu nehmen. Starke Emotionen verhindern den Zugang zur Sachlichkeit. Es kommt vor, dass Parteien einander lautstark beschimpfen oder dem Richter ins Wort fallen. Derartiges Verhalten ist kontraproduktiv und kann sogar zur Verhängung einer Ordnungsstrafe führen.

Mit diesem Wissen ausgestattet, werden Sie Ihren ersten Auftritt im Zivilprozess einwandfrei meistern. Selbstverständlich besprechen wir Ihren konkreten Fall vor dem ersten Verhandlungstermin auch noch im Detail in der Kanzlei.