Die Kinderbetreuerin, die keine Windeln wechseln wollte

Wann ist das Vertrauen des Arbeitgebers so heftig erschüttert, dass ihm eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr zugemutet werden kann?

Wann ist eine Entlassung, also sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses gerechtfertigt?

„Entlassung“ bedeutet „sofortige, also fristlose Beendigung eines Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber“. Damit eine solche sofortige Auflösung gerechtfertigt ist, bedarf es wichtiger Gründe. Für Angestellte sind diese in § 27 AngG aufgezählt (zum Beispiel: Ziffer 1 „wenn der Angestellte im Dienste untreu ist … oder wenn er sich einer Handlung schuldig macht, die ihn des Vertrauens des Dienstgebers unwürdig erscheinen läßt“).

Eine solche Vertrauensunwürdigkeit hat der OGH nun in seiner Entscheidung 8 Ob A 94/20m einer Kindergärtnerin angelastet, die bei einem sechsjährigen Buben schon beim Mittagessen um 12:15 Uhr einen Fäkalgeruch bemerkt hatte und ihn dennoch Mittagessen und Mittagsschlaf halten ließ. Erst um 14:00 Uhr hat sie das Kind dann doch kontrolliert und - wenig überraschend - festgestellt, dass seine Hose tatsächlich sehr voll war. Anstatt die Windel zu wechseln, hat sie sich mit einer Feuchttuchpackung an eine andere Kinderbetreuerin, die gerade mit einer Mutter sprach, gewendet und gesagt: "Mach du das.“

Schon drei Tage zuvor war es zu einem Vorfall gekommen. Bei einem Ausflug zu einer Märchengrottenbahn hat die Betreuerin zwei Kinder wahrgenommen, die neben den Gleisen stehen geblieben waren, um den Zug zu betrachten. Sie wäre als Schlusslicht der Gruppe dafür zuständig gewesen, diese Kinder mitzunehmen, hat aber nicht reagiert, sondern ist mit der Gruppe weitergegangen, sodass zwei andere Begleitpersonen (vorne und in der Mitte der Gruppe) diese Kinder holen mussten.

Der OGH hat ganz klar ausgesprochen, dass dieses Verhalten der Kinderbetreuerin als so schwerwiegend angesehen werden muss, dass das Vertrauen des Arbeitgebers derart heftig zerrüttet ist, dass ihm eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr zugemutet werden kann, zumal sich der Betreiber eines Kindergartens bei der Dienstverrichtung seiner Angestellten uneingeschränkt darauf verlassen können muss, dass die Betreuung und Fürsorge der bei ihm untergebrachten Kinder mit allen sich daraus ergebenden Verpflichtungen gewährleistet ist. Zum Nachteil der Klägerin schlägt dabei aus, dass sie schon zuvor ihre Aufgaben unzulänglich erfüllte, weil sie es mehrfach unterließ, sich um weinende Kinder zu kümmern und sie zu trösten oder die Kinder persönlich zu beaufsichtigen.

Ein ähnliches Verfahren führen wir derzeit beim LG Korneuburg als Arbeits- und Sozialgericht, bei dem wir den Arbeitgeber (Kinderbetreuungseinrichtung) vertreten. Die Entlassung einer Mitarbeiterin hat - unserer Ansicht nach völlig zu Recht - stattgefunden. Mitte Jänner 2021 wird eine erste Beweisaufnahmetagsatzung stattfinden. Sobald das Urteil vorliegt, können wir dazu mehr berichten.

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