Hundehaltung – die Grenzen der Verwahrungspflicht

Wird jemand durch ein Tier beschädigt, so ist derjenige dafür verantwortlich, der es dazu angetrieben, gereizt oder zu verwahren vernachlässigt hat (§ 1320 1. Satz ABGB).

 

Wie weit geht nun aber die Pflicht zur Verwahrung?

Sind Beißkorb und Leine im Garten erforderlich?

Diese Haftung betrifft alle Fälle, in denen das Tier infolge seiner tierischen Eigenschaft Schäden anrichtet, und zwar gleichgültig, in welcher Weise, ob zB durch Anspringen, Beißen, Entlaufen. Jede Tiergefahr, auch die gutmütiger Tiere, ist von ihm erfasst (Reischauer in Rummel, ABGB³, § 1320 RZ 2). Die Hüterhaftung ist im Einklang mit der Grundkonzeption des ABGB für die deliktische Haftung als Fall der Verschuldenshaftung anzusehen. Der Geschädigte hat die Sorgfaltsverletzung zu beweisen, der Tierhalter hat zu beweisen, dass er sich nicht rechtswidrig verhielt. Misslingt ihm dieser Beweis, haftet er für sein rechtswidriges, wenn auch schuldloses Verhalten (RIS-Justiz RS0105089).  

Welche Verwahrung und Beaufsichtigung durch den Tierhalter erforderlich ist, hängt - wie immer - von den Umständen des Einzelfalls ab (insb. Rasse des Tieres, Eigenschaft bzw. Eigenarten, Individualität, dessen Verwendung, bisheriges Verhalten, seiner Gefährlichkeit und seiner Umgebung).  

Konkreter Sachverhalt:
Die minderjährige Klägerin (Gegnerin) begehrte Zuspruch von Schmerzengeld sowie Feststellung der Haftung für Folge- und Dauerschäden aufgrund eines Hundebisses. Sie brachte vor, dass sie Bisswunden an der Lippe erlitten habe, die mit einigen Stichen genäht werden mussten, eine Narbenbildung sei nicht auszuschließen, sie habe große Schmerzen erlitten und leide weiterhin an Angst vor Hunden.  

Wir (als Vertreter der beklagten Hundehalterin) beantragten Klagsabweisung und brachten vor, dass die Beklagte die Klägerin mehrmals darauf hingewiesen hatte, sie möge den Hund in Ruhe lassen, weil er sich nach einem gemeinsamen Spaziergang ausruhen wolle und beim Fressen nicht gestört werden dürfe. Ungeachtet dessen hat die Klägerin den Hund weiter sekkiert, die anwesenden Eltern sind nicht eingeschritten. Als sich die Klägerin ein weiteres Mal hinuntergebeugt habe, habe der Hund sie gezwickt.

Das Erstgericht kam in rechtlicher Hinsicht nach Erörterung der Grundsätze der Tierhalterhaftung zur Auffassung, dass der Hund der Beklagten als Haustier gehalten werde, bisher kein auffälliges Verhalten gezeigt habe und im Allgemeinen an Kinder gewöhnt sei (eigenes Kind im Haushalt) und im Besonderen die Klägerin kannte, sodass für die Beklagte keine weiteren Sicherungsmaßnahmen hinsichtlich des ruhig am Boden liegenden Hundes erforderlich gewesen seien. 

Insgesamt dürfen nur Maßnahmen verlangt werden, die vernünftigerweise nach der Verkehrsauffassung erwartet werden können. Die Haftung des Tierhalters tritt nicht dann schon ein, wenn nicht jede Möglichkeit einer Beschädigung durch das Tier ausgeschlossen ist, sondern erst dann, wenn die nach den Umständen gebotenen Vorkehrungen unterlassen wurden. Konkret vorhersehbare Gefahren sind zu vermeiden. Sind dem Tierhalter Eigenschaften eines Tieres bekannt oder hätten sie ihm bei gehöriger Aufmerksamkeit bekannt sein müssen, die zu einer Gefahrenquelle werden können, wie etwa nervöse Reaktionen, unberechenbares Verhalten, Unfolgsamkeit und dergleichen, wird er auf die für die Unterlassung der in Anbetracht dieser besonderen Eigenschaften erforderlichen und nach der Verkehrsauffassung vernünftigerweise zu erwartenden Vorkehrungen einzustehen haben.  

In der Nähe von kleinen Kindern ist auch bei sonst gutmütigen oder kinderfreundlichen Hunden für den Halter grundsätzlich besondere Vorsicht geboten (RIS-Justiz RS0030116). Konkret weist der Hund der Beklagten keine besondere Aggressivität oder Auffälligkeiten auf. Er ist weder nervös, noch schreckhaft, noch unfolgsam. Er war auch an Kleinkinder gewöhnt. Am Vorfallstag lag er die ganze Zeit neben der Beklagten am Boden und verhielt sich ruhig. Erst durch das Verhalten der minderjährigen Klägerin fühlte er sich offenbar gestört und schnappte hin.  

Es bestand kein Anlass, besondere Sicherungsmaßnahmen zur Verwahrung des Hundes zu treffen. Ein Hund, der als Haustier gehalten wird, an Kinder gewöhnt ist und ruhig am Boden liegt, ist ordnungsgemäß verwahrt. Die Beklagte hatte aufgrund des bisherigen Verhaltens des Tieres und der Tatsache, dass der Hund die minderjährige Klägerin kannte, keine Veranlassung, dem Hund im Garten und während des Ausruhens auf der Terrasse einen Beißkorb anzulegen. Das Ergreifen weiterer Maßnahme würde zu einer Überspannung der Sorgfaltspflichten führen. Würde man dies verlangen, käme die der Beklagten aufgebürdete Haftung einer in § 1320 ABGB nicht vorgesehenen Erfolgshaftung gleich. Ein rechtswidriges Verhalten in Form einer Verwahrungspflichtverletzung lag nicht vor, zumal auch die Eltern als Erziehungsberechtigte nicht auf das Verhalten ihrer Tochter (der minderjährigen Klägerin) adäquat reagiert haben. Der Anspruch der Klägerin wurde daher bereits dem Grunde nach als nicht zu Recht bestehend abgewiesen.   

Die Klägerin erhob Berufung an das Landesgericht Korneuburg, welches die Berufung als unberechtigt abwies, sodass das klageabweisende Urteil rechtskräftig ist.