Kuh attackiert Wanderer auf der Alm - wer haftet?

Wer sich einer Kuhherde mit einem Hund an der Leine auf 1-2m annähert, obwohl er mit einem Schild gerade davor gewarnt worden war, muss sich ein Mitverschulden zurechnen lassen.

Im Almgebiet müssen Weideflächen im Allgemeinen nicht abgezäunt oder eingefriedet werden. Bei besonderen und örtlich eingegrenzten Gefahren sind aber auch im Almgebiet die Anforderungen an die erforderliche Verwahrung und Beaufsichtigung von Tieren erhöht und zumutbare zusätzliche Sicherungsmaßnahmen zu fordern. Entsprechende Warnschilder aufzustellen reicht dabei nicht generell aus, im Einzelfall müssen auch Wanderwege abgezäunt werden.

Einen Wanderer, der sich mit seinem angeleinten Hund den Tieren einer Herde auf ein bis zwei Meter näherte, obwohl er mit einem Schild gerade davor gewarnt worden war, und die Leine noch dazu so führte, dass er sich vom Hund nicht jederzeit lösen kann, trifft ein Mitverschulden an den Verletzungen, die er durch eine Kuhattacke erlitt.

Aus der rechtlichen Begründung des Obersten Gerichtshofes:

Gemäß § 1320 ABGB ist, wenn jemand durch ein Tier beschädigt wird, derjenige dafür verantwortlich, der es dazu angetrieben, gereizt oder zu verwahren vernachlässigt hat. Derjenige, der das Tier hält, ist verantwortlich, wenn er nicht beweist, dass er für die erforderliche Verwahrung oder Beaufsichtigung gesorgt hatte. Von einem „Reizen“ des Tieres kann nach der Rechtsprechung aber nur dort die Rede sein, wo ein Mensch aus Mutwillen, Willkür oder sonstiger sachlich unberechtigter Einstellung den Angriff des Tieres durch sein eigenes Verhalten geradezu herausfordert.

Eine Haftung gemäß § 1320 zweiter Satz ABGB tritt ein, wenn der Tierhalter die nach den Umständen gebotenen Vorkehrungen zur Verwahrung oder Beaufsichtigung des Tieres unterlässt. Welche Maßnahmen dabei im Einzelnen notwendig sind, richtet sich nach den dem Tierhalter bekannten oder erkennbaren Eigenschaften des Tieres und den jeweiligen Umständen.

Zur Tierhalterhaftung in der Alm- und Weidewirtschaft hat der Oberste Gerichtshof bereits wiederholt Stellung genommen und ausgeführt, dass grundsätzlich keine Verpflichtung besteht, einen Weg, der durch ein Weidegebiet führt, durch Zäune vom Weidegebiet abzugrenzen. Eine Abzäunung eines Wegs auf einer Almweide ist weder üblich noch zumutbar (5 Ob 5/13s). Diese Rechtsprechung beruht auf der Prämisse, dass Kühe im Allgemeinen keine Gefahr für den Menschen sind (vgl 2 Ob 18/93). Besondere Umstände können im Einzelfall freilich zu einer Anhebung der Sorgfaltsanforderungen führen (zB Weide in unmittelbarer Nähe einer stark frequentierten Straße oder einer Seilbahnstation).

Im konkreten Fall hätte die Verstorbene aber wissen müssen, dass Mutterkühe eine Gefahr für Hunde und die diese führenden Menschen sind. Zudem sei sie durch das vom Beklagten angebrachte Warnschild nicht nur vor der Gefährlichkeit der Tiere des Beklagten gewarnt worden, sondern sie habe auch eine Handlungsanweisung (Achten auf Distanz) erhalten. Damit aber könne das Passieren der Herde in einem Abstand von 1 bis 2 m (zu der am nächsten stehenden Kuh) nur als Sorglosigkeit gewertet werden. Für jeden auf seine eigene Sicherheit bedachten Menschen liege es mehr als nahe, dass diese Entfernung keine ausreichende Distanz sei.

Der OGH bestätigte die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, welches das Mitverschulden der Verstorbenen mit 50% beurteilt hat.

Die gesamte Entscheidung des OGH: 5Ob168/19w