"Vor die Füße schauen!"

"Vor die Füße zu schauen" ist von jedem Fußgänger zu verlangen ... sagt das Landesgericht Korneuburg neuerlich in einer aktuellen Berufungsentscheidung (21 R 180/17v).

 

Zwei Entscheidungen - ein Tenor.

Entscheidung 1 (LG Korneuburg als erste Instanz, März 2017):

Der Kläger (ein Kunde unserer Mandantschaft) war auf dem Weg zu einem Geschäftslokal der Beklagten (unserer Mandantin) im Winter gestürzt und wurde verletzt. Er begehrte Schmerzengeld und Betreuungsleistungen in der Höhe von EUR 15 100.

Das Gericht führt aus, dass grundsätzlich die beklagte Partei die vertragliche Verpflichtung zur Gewährleistung eines sicheren Zuganges zu ihrem Geschäftslokal treffe, die Verkehrssicherungspflicht finde aber ihre Grenzen in der Zumutbarkeit, vertragliche Sicherungspflichten sollen nicht überspannt werden (2 Ob 60/08z). Es muss daher nicht ein gefahrloser Zugang von jedwedem Punkt ermöglicht werden (OGH 9 Ob 162/00i). Im vorliegenden Fall erfolgte eine Räumung und Salzstreuung eines Zuganges zum Geschäftslokal in den frühen Morgenstunden zwischen 4 Uhr und 6:30 Uhr, der Sturz geschah gegen 9:20 Uhr. Es wurde ein 1,20 bis 1,50 m breiter Zugang von östlicher und westlicher Seite unmittelbar vor dem Geschäftslokal unserer Mandantin geschaffen. Dies war ausreichend, um einen sicheren Zugang zum Geschäftslokal zu gewährleisten.

Das Gericht folgt in seiner Entscheidung unserer Argumentation und stellt fest, dass der Kläger verhalten war, "vor die Füße zu schauen und aufzupassen. Sein Sturz lag daher in seinem Alleinverschulden, sein Klagebegehren war daher abzuweisen."

Entscheidung 2 (LG Korneuburg als 2. Instanz, Juli 2017): 

Die Klägerin kam auf dem Weg zu einem Restaurant (unsere Mandantschaft) zu Sturz, indem sie "auf die abgerundete Kante einer etwa 3 cm tiefen, 88 cm langen und 56 cm breiten Vertiefung im Asphalt trat und verknöchelte". Sie begehrte den Zuspruch von EUR 6.762,80 (Schmerzengeld und Pflegekosten).

Bereits das Erstgericht führte aus, dass die Beklagte (unsere Mandantschaft) nicht Halterin des Weges iSd § 1319a ABGB sei, weshalb eine deliktische Haftung ausscheide. Allerdings treffe sie (potentiellen) Kunden gegenüber die (vor-)vertragliche Schutzpflicht, für einen gefahrlosen Zugang zu dem von ihr betriebenen Lokal zu sorgen. Diese Pflicht dürfe aber nicht überspannt werden, zumal sie keine vom Verschulden unabhängige Haftung des Sicherungspflichtigen zur Folge haben solle. Daher könne nicht die Beseitigung aller möglichen Gefahrenquellen gefordert werden; die Verkehrssicherungspflicht findet ihre Grenze in der Zumutbarkeit möglicher Maßnahmen der Gefahrenabwehr.

Umfang und Intensität von Verkehrssicherungspflichten richten sich vor allem danach, in welchem Maß die Verkehrsteilnehmer selbst vorhandene Gefahren erkennen und ihnen begegnen können. Insbesondere müsse von jedem Fußgänger verlangt werden „vor die Füße zu schauen“. Da im konkreten Fall der Zugang zum Lokal zunächst über eine unebene Schotterfläche und dann über einen ebenfalls unebenen asphaltierten Weg führte, wobei es immer wieder Vertiefungen im Boden gebe, stellte die gegenständliche Vertiefung keine derartige Gefahrenquelle dar, die eine Verkehrssicherungspflicht der Beklagten nach sich ziehe. Vielmehr hätte die Klägerin – auch in Anbetracht des von ihr getragenen instabilen Schuhwerks – der Oberflächenbeschaffenheit des Weges höhere Aufmerksamkeit zuwenden müssen.

Das LG Korneuburg als Berufungsgericht hat die unberechtigte Berufung der Klägerin daher abgewiesen.