Neues aus der Rechtsanwaltskanzlei

Gesetze verändern sich, die Rechtsprechung ist oft einzelfallbezogen. Wir sind immer auf dem neuesten Stand und geben Ihnen hier gerne die Informationen aus unseren eigenen Fortbildungen weiter. Aktuelle und interessante Entscheidungen und Gesetzesänderungen finden Sie hier.

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Zerbrechende Häuser

Liegt ein Erdrutsch vor? Haftet die Elementarschadenversicherung?

Es geht um die finanzielle Existenz und um einen geplatzten Traum:

den vom eigenen Haus.

Der Sachverhalt:

Aufgrund von Umweltereignissen (Bodenbewegungen bzw. geogenen Prozessen) wurden zahlreiche Einfamilienhäuser in 2354 Sommerein schwer beschädigt. Es ist zu Rissen, Absenkungen, Verdrehungen und Kippungen gekommen, Gebäude drohen, zu kippen. Ein Einfamilienhaus musste bereits abgerissen werden.  

Begonnen hat es mit feinen, kaum sichtbaren Haarrissen, an Fassaden, Wänden, in Kellern. Im Sommer 2018 ahnte man noch nicht, dass diese Risse die ersten Anzeichen von Bodenbewegungen waren, die für viele Hausbesitzer zu einer Katastrophe ausarten würden.

Die dokumentierten Schäden an den Wohnhäusern sind Schrägrisse und Horizontalrisse, teilweise herausrotierende Pools. Stabilisierungsmaßnahmen und eine anschließende Sanierung sind für die betroffenen Häuser notwendig. Die Schadenssummen richten sich je nach Versicherungsvertrag und liegen zwischen € 220.000 und € 880.000.

Es wurden diverse Gutachten eingeholt. Fest steht, dass die Schäden nicht durch unsachgemäße Baumaßnahmen bedingt sind, nicht vorhersehbar waren und die Fundierungsmaßnahmen zum Zeitpunkt des Hausbaus ordnungsgemäß und auf ausreichend tragfähigem Untergrund waren.

Auf Basis der umfangeichen Untergrunderkundungen (zB Rammkernsondierungen) und deren Auswertungen unter Berücksichtigung des Schadensbildes ist klar, dass die Schäden durch Hangbewegungen (Hangkriechen) entstanden sind.

Der rechtliche Hintergrund:

Wir haben zu dieser Thematik insgesamt 10 Familien beraten und in fünf Fällen Klage beim Handelsgericht Wien und Landesgericht St. Pölten gegen die jeweils eigene Elementarschadenversicherung eingebracht.

Die Versicherungen haben den Versicherungsschutz u.a. für die Risiken Sturm, Hagel, Schneedruck, Felssturz/Steinschlag und Erdrutsch gemäß den jeweils geltenden Allgemeinen Bedingungen übernommen. Eine Eintrittspflicht der Versicherung besteht unseres Erachtens für die vorliegenden Schäden an den jeweiligen Einfamilienhäusern dem Grunde nach gemäß den (in den meisten Fällen geltenden) Allgemeinen Bedingungen für die Sturmversicherung (AStB 2001):

  • „Versicherte Gefahren: Erdrutsch: Erdrutsch ist eine naturbedingte Abwärtsbewegung von Boden- oder Gesteinsmassen auf einer unter der Oberfläche liegenden Gleitbahn“ im Zusammenhang mit den generellen Normen betreffend die Eintrittspflicht gemäß Versicherungsvertragsgesetz, insb. §§ 49 ff VersVG."

Die Versicherungen argumentieren, dass es sich nicht um einen Erdrutsch, sondern um „vertikale Bodenbewegungen“ handeln würde.  

Fest steht, dass es Abwärtsbewegungen von Gesteinsmassen gibt, die naturbedingt sind, also nicht auf menschliche Einflüsse zurückzuführen sind. Die Bewegungen wurden nicht durch Erdaufschüttungen oder Erdabgrabungen verursacht, sondern sind durch die mineralogischen Merkmale und geotechnischen Eigenschaften des Untergrundes bedingt. Einer von mehreren involvierten Sachverständigen bringt es auf den Punkt:

  • „Aufgrund der Gegebenheiten muss es sich im Untersuchungsgebiet um Auswirkungen eines Hangkriechens handeln, die eine horizontale Bodenbewegung bedingen und die Gebäudeschäden erklären.“

Einem anderen Gutachten ist zu entnehmen, dass

  • „ein Erdrutsch, also eine gravitative Massenbewegung weiter unterteilt werden kann, zum Beispiel in Fließen, Gleiten, Stürzen, Versatz, Kriechen. Unter Bodenkriechen ist ein langsamer Prozess, induziert durch das Quellen von Tonmaterial (…) zu verstehen. Durch Quellung und Schrumpfung wird - aufgrund dieser Gegebenheiten - wenn das Gelände auch nur gering geneigt ist, Bodenkriechen hervorgerufen.

Klar ist, dass eine Quellung und Schrumpfung des Bodens in alle Richtungen, auch horizontal wirkt und in einem geneigten Gelände neben Hebungen und Senkungen des Untergrunds zwangsläufig auch ein Kriechen hangabwärts erzeugt, welches sich aufgrund der Schwerkraft als nicht reversibel darstellt.

Man muss nicht Geologe oder Physiker sein, dieses Phänomen ist auch mit gesundem Menschenverstand zu erklären und völlig logisch nachvollziehbar: Quellen des Untergrundes und dadurch erzeugtes Schieben erzeugt eine Bewegung in Richtung des geringsten Widerstandes, also hangabwärts.

Bisherige Ergebnisse:

In einem gerichtsanhängigen Fall konnte ein Vergleich erzielt werden. Vier Gerichtsverfahren sind derzeit noch anhängig. In allen Prozessen liegen bereits (mehrere) Sachverständigengutachten vor, in einem Verfahren wurde auch ein Gutachten über die Schadenshöhe bereits eingeholt. Mit den ersten Entscheidungen (1. Instanz) ist in den nächsten Monaten zu rechnen.

Wir sind auf die Ergebnisse gespannt und werden hier weiter berichten.

Am Donnerstag, 25.01.2024 um 21:05 Uhr gibt es zu diesem Thema einen ausführlichen Bericht in der Sendung „Am Schauplatz Gericht“ in ORF 2.